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ich eine Stunde vor Sonnenuntergang zurückreiten werde.
Ihr könnt mich begleiten, wenn Ihr das wünscht. Ich ver-
spreche Euch, daß Ihr pünktlich morgen eine halbe Stunde
nach Tagesanbruch wieder hier in der Stadt seid.«
»Ich überlege es mir«, versprach Tobias. »Aber ich denke,
ich werde Eurer Einladung gerne folgen.«
Temser verabschiedete sich. Pater Tobias vernahm noch
drei weitere Zeugen an diesem Tag. Dann war er der Mei-
nung, nun wirklich genug getan zu haben, um auch den
Mißtrauischsten in Buchenfeld davon zu überzeugen, daß er
nach seiner Rekonvaleszenz sein Amt mit allem zu Gebote
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stehenden Ernst ausführte. Er verließ das Haus, ging in das
Bressers zurück und sagte Maria für das Abendmahl ab.
Dann trug er ihr auf, nach oben zu gehen und Katrin zu
holen. Sie sah ihn überrascht an. Seit sie in dieses Haus
gebracht worden war, hatte Katrin die Kammer unter dem
Dach nicht ein einziges Mal verlassen. Aber Tobias erklärte
ihr mit wenigen freundlichen Worten, daß es schon alles
seine Richtigkeit hatte und sie nichts befürchten mußte, und
so wandte sie sich um und ging, seinen Befehl auszuführen.
Tobias seinerseits war ein wenig überrascht, daß sie über-
rascht war; die Vorbereitungen, die er im Turmhaus nebenan
getroffen hatte, waren eindeutig.
Er wartete einige Augenblicke, aber Maria und Katrin
kamen nicht sofort zurück, so daß er sich schließlich
umwandte und die Stube betrat, um dort weiter zu warten.
Er war müde. Das stundenlange Reden und Fragen und
Schreiben hatten ihn erschöpft. Und er hatte noch einen wei-
ten Weg vor sich.
Als er gebückt durch die Tür trat, sah er, daß Bresser da
war. Er hatte ihn vor einer Stunde das letzte Mal gesehen
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und ihn zu einem Botengang fortgeschickt. Jetzt saß er am
Tisch, drehte einen tönernen Becher in seinen kurzen Fin-
gern und blickte Tobias mit einer Mischung aus Ärger und
Triumph entgegen. »Habt Ihr Euch endlich entschlossen, die
Hexe wegzuschaffen?« fragte er.
Tobias sah ihn zornig an, nickte aber nur stumm.
»Dann werdet Ihr nichts dagegen haben, wenn ich wieder
unter meinem eigenen Dach schlafe?« fuhr Bresser aggressiv
fort. »Ihr werdet ja wohl dann auch drüben nächtigen?«
Tobias verharrte mitten im Schritt. Bressers Worte waren
nicht nur feindselig, sondern eindeutig verletzend. Er setzte
zu einer wütenden Antwort an, aber plötzlich fiel ihm auf,
wie glasig Bressers Augen aussahen. Er sah auf den Becher
in Bressers Händen hinab und begriff, daß der Dicke betrun-
ken war. Sich mit einem Betrunkenen zu streiten, war nun
wirklich vergebliche Liebesmüh.
Bresser musterte ihn herausfordernd und schien darauf zu
warten, daß er etwas sagte. Aber Tobias drehte sich um und
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sah starr aus dem Fenster, bis endlich auf der Treppe wieder
Schritte erklangen und er sich zur Tür wandte. »Kommt
mit!« befahl er barsch.
Bresser leerte in aller Ruhe seinen Becher, erhob sich
schnaufend und kam auf unsicheren Beinen um den Tisch
herumgewankt. Er mußte in der knappen Stunde, die ver-
gangen war, seit Tobias ihn das letzte Mal gesehen hatte,
praktisch den ganzen Krug leergetrunken haben, um so
schnell betrunken zu werden, dachte er. Nun, darüber wür-
den sie morgen sprechen.
Maria und Katrin kamen ihm entgegen, als er die Stube
verließ. Er sah Katrin jetzt zum ersten Mal anders als im Bett
liegend. Und der Anblick erschreckte ihn. Sie war sehr blaß
und bewegte sich so unsicher, daß Maria sie stützen mußte.
Sie trug nicht mehr die Fetzen, in denen Tobias sie gefunden
hatte, sondern eines von Marias Kleidern, das ihr viel zu
weit war. Trotzdem war deutlich zu erkennen, wie
erschreckend mager sie war. Aber was hatte er erwartet? Sie
war mehr tot als lebendig gewesen, als er sie vor nicht ein-
mal einer Woche gefunden hatte.
Er eilte ihr entgegen und ergriff ihre Hand. Gleichzeitig
gab er Bresser mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihren
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anderen Arm zu ergreifen. Er gehorchte, wenn auch mit
sichtlichem Widerwillen, und als er Katrin berührte, verzog
er das Gesicht zu einer Grimasse, als bereite ihm die Berüh-
rung körperlichen Ekel.
In Katrins Augen schienen hundert unausgesprochene,
angstvolle Fragen zu stehen, aber Tobias deutete ein Kopf-
schütteln an, und sie verstand. Schweigend und so schnell es
Katrin möglich war, verließen sie das Haus und überquerten
den Platz, um zum Turm hinüberzugehen.
Und obwohl es nur wenige Schritte waren, wurde es zu
einem Spießrutenlauf.
Buchenfeld verwandelte sich von einem Herzschlag auf
den anderen. Eine bislang apathische, geduckte Stadt war
plötzlich von brodelnder Feindseligkeit erfüllt. Die Men-
schen auf der Straße blieben stehen, wie auf ein unhörbares
Kommando hin, und starrten Katrin und Bresser und ihn
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an. Und plötzlich erschienen auch Gesichter in Türen und
Fenstern. Alle Gespräche, alle Laute verstummten, und von
einem Moment auf den anderen sah sich Tobias von hundert
dunklen, feindselig blickenden Augenpaaren angestarrt.
Auch Katrin spürte den Haß, der ihnen entgegenschlug.
Tobias spürte, wie sich ihr Körper unter dem groben Stoff
des Kleides versteifte. Ihr Blick irrte unstet hierhin und dort-
hin, fand nirgendwo halt und kehrte schließlich angsterfüllt
zu seinem Gesicht zurück.
Tobias versuchte, ihr mit einem aufmunternden Blick Mut
zu machen, und ging weiter.
Nichts rührte sich. Der Mönch mußte sich mit aller Macht
beherrschen, um die wenigen Schritte zum Turmhaus mit
Ruhe und Würde zurückzulegen. Und als sie endlich durch
die Tür in sein schattiges, dunkles Inneres traten, konnte er
ein erleichtertes Seufzen nicht unterdrücken. Auch Katrin
schien eine Last von den Schultern zu fallen.
Sie blieben stehen. Tobias warf Katrin einen kurzen, irri-
tierten Blick zu und wandte sich dann noch einmal zur Tür.
Er konnte jetzt nur noch einen kleinen Teil des Platzes über-
sehen, aber er bemerkte, daß sich die Menschen draußen
noch immer nicht rührten. Sie standen einfach da. Ein stum-
mes, drohendes Spalier, das das Haus und seine Insassen
anstarrte. Und er bezweifelte mit einem Male, daß diese
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Feindseligkeit nur Katrin galt.
»Was . . . war das?« fragte er verwirrt.
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